Fast jedes vierte Kind in Deutschland ist armutsgefährdet. Damit ist Kinderarmut kein Randthema und ihre Bekämpfung keine freiwillige Aufgabe, sondern eine strategische Notwendigkeit. Das neue Ausschusspapier zur kommunalen Prävention von Kinderarmut betont: Kommunen sind Schlüsselakteure. Damit sie dieser Rolle gerecht werden, brauchen sie verlässliche Strukturen, ressortübergreifende Kooperation und eine gute Steuerung.
Über den NAP und den NAP-Ausschuss
Der Nationale Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ (NAP Kinderchancen) ist die deutsche Antwort auf die EU-Kindergarantie. Sein Ziel: Allen Kindern, insbesondere armutsgefährdeten, bessere Teilhabechancen eröffnen.
Der NAP-Ausschuss begleitet die Umsetzung dieses Plans. Hier kommen Vertreter:innen aus Bund, Ländern, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Gemeinsam beraten sie, wie Kinderarmut wirksam verhindert und bekämpft werden kann – mit einem besonderen Fokus auf die Rolle der Kommunen. Der Ausschuss hat nun das Papier „Prävention von Kinderarmut auf kommunaler Ebene – eine nationale Aufgabe“ vorgelegt. Es ist ein wichtiger Baustein seiner Arbeit und zeigt: Kommunen sind zentrale Akteurinnen für die Umsetzung der EU-Kindergarantie – und brauchen dafür starke, gut abgestimmte Strukturen.
Was steht im NAP-Ausschusspapier?
Der NAP setzt auf integrierte Planung in den Kommunen und eine neue Art der Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Ländern und Bund. Es geht nicht um ein Mehr an Maßnahmen, sondern um eine andere Art der Nutzung von Synergien und der Abstimmung, um integrierte Konzepte zu entwickeln, die auf kommunaler Ebene wirklich wirken können. Diese Erkenntnis hat sich im NAP-Ausschuss nun konsolidiert und ist ein zentraler Bestandteil des aktuellen Papiers.
Darin hebt der Ausschuss vier zentrale Aufgabenbereiche hervor, die für eine erfolgreiche kommunale Prävention von Kinderarmut unerlässlich sind. Diese Aufgaben erfordern koordinierte Anstrengungen auf allen Ebenen und müssen gemeinsam vorangetrieben werden:
- Wissensmanagement: Förderung des Austauschs von Best Practices und systematische Kommunikation, um alle Akteur:innen zu sensibilisieren und Handlungsbedarfe aufzuzeigen.
- Qualitätsentwicklung: Sicherstellung der kontinuierlichen Verbesserung präventiver Angebote, um sie gezielt an die Bedürfnisse der betroffenen Kinder und Familien anzupassen.
- Kooperation: Etablierung einer engen Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft, um Ressourcen zu bündeln, Synergien zu nutzen und Doppelstrukturen zu vermeiden.
- Weiterentwicklung von Strukturen: Verstetigung und Ausbau erfolgreicher Ansätze, um langfristig stabile und koordinierte Präventionsmaßnahmen zu gewährleisten.
Was das Papier unterstreicht – und warum es für die Praxis relevant ist
Kommunale Netzwerke wie Präventionsketten oder Frühe Hilfen sind ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung von Kinderarmut. Ohne verbindliche Koordination und ausreichende Ressourcen können sie jedoch nicht dauerhaft wirken. Zudem braucht es kommunale Strategien, die Daten, Beteiligung und Planung systematisch miteinander verknüpfen – nicht als Projekt, sondern als dauerhaft verankerte Aufgabe. Prävention ist nur dann erfolgreich, wenn sie fachbereichsübergreifend abgestimmt und politisch legitimiert wird. Einzelne Maßnahmen schöpfen ihr Wirkpotenzial nicht aus, wenn sie parallel zueinander laufen.
Für Verwaltungsmitarbeitende heißt das: Die Herausforderungen sind bekannt – aber jetzt gibt es eine fachlich fundierte und politisch eingebettete Argumentationshilfe, um die notwendigen Veränderungen voranzutreiben – mit klaren Argumenten für die Schaffung stabiler Koordinierungsstrukturen und einer langfristigen Finanzierung.
„Integrierte Prävention von Kinderarmut erfordert Koordinierung und Kooperation auf allen Ebenen (vertikale Kooperation) sowie zwischen den Ebenen (horizontale Kooperation). Sie gelingt unter Beibehaltung einer gemeinsamen Verantwortung und Zuständigkeiten für die chancengerechte Teilhabe von armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen in allen Ressorts, die die Lebensbereiche der Kinder und Jugendlichen betreffen. So kann in gemeinsamer Verantwortung eine Gesamtstrategie zur Prävention von Kinderarmut entstehen.”
– Zitat aus dem Bericht
Was hat das mit integrierter Planung und Steuerung zu tun?
Auch wenn der Begriff im Papier nicht fällt: Das, was dort gefordert wird, ist inhaltlich eng verbunden mit dem, was Kommune 360° unter integrierter Planung und Steuerung versteht. Nämlich:
- Bedarfe und Maßnahmen systematisch aufeinander beziehen,
- Kooperation zwischen Verwaltung, Trägern und Politik verlässlich organisieren,
- Verantwortung für Wirkung übernehmen – also hinterfragen, was Maßnahmen tatsächlich bewirken.
Diese Art des Arbeitens wird in vielen Kommunen bereits angestrebt, ist aber aufgrund verschiedener Herausforderungen noch nicht flächendeckend etabliert. Genau hier setzen wir mit unseren Angeboten an. Etwa mit dem K360-Change-Programm, unseren Lernpfaden oder dem Change-Guide. So unterstützen wir Fach- und Führungskräfte dabei, aus Anspruch gelebte Praxis zu machen.
Unser Fazit: Das Papier ist Rückenwind – aber die Veränderung braucht System
Für alle, die tagtäglich an der Verbesserung der Lebenslagen von Kindern und Familien arbeiten, liefert die Stellungnahme wertvolle Impulse. Und sie zeigt: Die kommunale Ebene wird gesehen und braucht mehr Unterstützung. Aber sie braucht auch klare Strukturen, strategische Steuerung und ressortübergreifendes Handeln.
Denn eins ist klar: Kinderarmut lässt sich nicht „wegfördern“. Aber sie kann durch eine gezielte, koordinierte und langfristige Strategie abgebaut werden – wenn alle Beteiligten gemeinsam an einem Strang ziehen.